Denkt man an Unfälle, die zu Verletzungen von Lkw-Fahrern:-Fahrerinnen führen, fallen einem vermutlich zuerst Unfälle im Straßenverkehr ein. Aber auch bei Arbeiten am stehenden Fahrzeug besteht Verletzungsgefahr, insbesondere durch Sturz und Fall. Abgesehen von Stürzen aus größerer Höhe, zum Beispiel vom Fahrzeugaufbau, kommt es dabei laut Peter Schwaighofer, BSc, Experte für Verkehrssicherheit in der Präventionsabteilung der AUVA-Hauptstelle, meist zu weniger schweren Verletzungen.
Allerdings können auch diese – etwa ein Bänderriss durch Umknicken beim Sprung aus dem Führerhaus – lang anhaltende Beschwerden und mehrere Wochen dauernde Krankenstände nach sich ziehen. Häufig wird unterschätzt, welche Kräfte bei Sprüngen von Aufstiegen, Ladeflächen oder Hubladebühnen wirken. So belastet ein Sprung aus „nur“ 60 cm Höhe die betroffenen Muskeln, Bänder und Knochen bis zum Vierfachen des eigenen Körpergewichts. Neben akuten Verletzungen sind bei wiederholten Sprüngen längerfristig oft auch chronische Schäden des Muskel-Skelett-Apparats die Folge.
Von den Unfällen, die sich am stehenden Lkw ereignen, entfallen besonders viele auf das Ein- und Aussteigen. Statt vom Fahrzeug zu springen, sollten immer die Aufstiege und Haltegriffe benutzt werden, ebenso beim Hinaufsteigen zum Führerhaus. Ist ein Aufstieg stark verschmutzt oder vereist, besteht die Gefahr abzurutschen. Das lässt sich vermeiden, indem die Trittflächen gesäubert werden. Für einen sicheren Stand sorgen Schuhe mit rutschfesten, griffigen Sohlen.
Arbeiten auf dem Fahrzeug
Das Gleiche gilt für den Auf- und Abstieg zu oder von Arbeitsplätzen auf Aufbauten, Ladeflächen und Kippbrücken. Reifen, Felgen oder Radnaben eignen sich nicht als Aufstiegshilfen. Beim Begehen der Arbeitsplätze sollten die Haltegriffe, Geländer, Laufstege, Stand- und Arbeitsflächen genutzt werden. Alle Flächen sind von Ausrüstungsgegenständen, zum Beispiel Schaufel oder Besen, freizuhalten, da man über diese stolpern und stürzen kann.
Vorsicht ist laut Schwaighofer auch bei Außenarbeiten im Frontbereich geboten: „Die Tritthilfen zur Spiegeleinstellung sind oft sehr klein und man hat nur eine Hand am Griff. Dadurch besteht das Risiko abzurutschen.“ Erhöht wird dieses, wenn man den Haltegriff aufgrund geringerer Körpergröße schwer erreicht. Die gleichen Probleme bestehen bei der Reinigung der Frontscheibe von hartnäckigem Schmutz wie Insekten oder Eis und Schnee.
Stürze beim Be- und Entladen
Beim Be- und Entladen können unterschiedliche Faktoren zu Stürzen führen. Die Gefahr zu stolpern oder auszurutschen, ist bei der Manipulation von schweren, sperrigen Lasten am größten. Es empfiehlt sich, Hilfsmittel wie Tragegurt oder Hubwagen zu verwenden bzw. die Last zu zweit zu heben und zu tragen. Damit beugt man auch Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparats vor. Schlechte Sicht erhöht das Risiko zu stolpern oder von der Ladefläche zu stürzen. Reicht die Umgebungsbeleuchtung nicht aus, benötigt man Arbeitsscheinwerfer am Fahrzeug.
Die Sicherung der Ladung spielt beim Entladen ebenfalls eine wesentliche Rolle, betont Schwaighofer: „Wenn das Ladegut nicht gut gesichert ist, kann es sich beim Lösen des Sicherungsgurts in Richtung des:der Mitarbeiters:Mitarbeiterin bewegen.“ Durch kippende oder rutschende Ladungsteile kann man zu Fall kommen und verletzt werden. Einen ähnlichen Effekt hat es, wenn sich bewegliche Teile wie Bordwände, Klappen oder Steckrungen unbeabsichtigt lösen, sie müssen daher entsprechend gesichert werden.
Zu den Tätigkeiten mit erhöhtem Sturzrisiko zählt auch das Auf- und Abplanen. Bei Kipp- und Muldenfahrzeugen mit Rollplane muss der:die Lenker:in auf das Stirnwandplateau steigen, um die Plane händisch auf- bzw. zuzurollen. Das lässt sich durch die Montage eines Systems vermeiden, welches das Verdeck mithilfe eines Elektromotors öffnet und schließt und vom Boden aus bedient wird.
Enteisen des Dachs
Eine aufgrund der Sturzhöhe besonders gefährliche Aufgabe ist das Befreien des Dachs von Eis und Schnee. Auf einem Sattelauflieger oder Anhänger mit Planendach können sich mehrere Hundert Liter Wasser ansammeln, das bei entsprechender Kälte gefriert. Kommt der:die Lenker:in der Pflicht zur Freiräumung nicht nach, besteht die Möglichkeit, dass sich während der Fahrt Eisbrocken oder Schneewechten lösen und auf ein nachfolgendes Fahrzeug stürzen.
Wenn vorhanden, sollten Arbeitsmittel für ein sicheres Räumen des Dachs genutzt werden. Manche Unternehmen stellen dafür fixe oder mobile Gerüste zur Verfügung, die mit einem sicheren Aufstieg, einem rutschhemmendem Bodenbelag und einem Geländer ausgestaltet sind. Abkehrgerüste der ASFINAG finden sich in Österreich auf den Hauptverkehrsrouten vor längeren Tunnels. Der Wechsel von Tauwetter tagsüber und Frost über Nacht ist prädestiniert dafür, auf den Planen oder Dächern von Schwerfahrzeugen Eisplatten entstehen zu lassen. Tauen diese nach einer längeren Fahrt wieder auf, insbesondere nach einem „warmen“ Tunnel, können sie zu gefährlichen Geschossen werden.
In vielen Fällen muss die Dachräumung mittels Leiter erfolgen. Vor der Verwendung sollte die Leiter überprüft werden; ist sie defekt, darf man sie nicht benutzen. Die Leiter muss auf einem stabilen, ebenen, rutschfesten Untergrund in einem Winkel von 65 bis 75 Grad aufgestellt, gegen Wegrutschen und Umkippen gesichert werden, zum Beispiel mit einem Leitergurt. Beim Besteigen der Leiter ist darauf zu achten, dass man sich immer mit einer Hand festhält, nicht auf die obersten drei Sprossen steigt und sich nicht zur Seite hinausneigt.
Eine sichere Alternative für die Dachräumung stellen automatische Schneeräumungssysteme dar, etwa das „AIRpipe 3-Schlauch System“ der oberösterreichischen AIRpipe GmbH. Bei diesem System montiert man zwischen Dachplane und Dachquerspriegel drei Luftschläuche, die mit der Luft aus dem Nebenverbraucherkreis des Fahrzeugs gefüllt werden, wodurch die Dachplane angehoben wird. Das verhindert ein Ansammeln von Wasser und damit die Eisbildung; darüber hinaus ist es möglich, bereits entstandene Eisplatten aufzubrechen und zu entfernen. (rp)
Unterweisung
Bei allen Arbeitsmitteln, die Sturz und Fall vom Lkw verhindern können, ist es wichtig, dass der:die Lenker:in Bescheid weiß, dass das Fahrzeug damit ausgestattet ist und wie man damit umgeht. Das gilt vor allem für neue Fahrzeuge und für Personen, die nicht regelmäßig mit einem Fahrzeug unterwegs sind. Informationen über Unfallrisiken – auch bei stehendem Lkw – und wie man sie verringern kann, bietet die AUVA bei Betriebsberatungen im Rahmen des aktuellen Präventionsschwerpunktes „Komm gut an!“.