Für alle Wege, die kürzer als fünf Kilometer sind, hat sich das Fahrrad üblicherweise als das schnellste aller Verkehrsmittel bewährt. Damit es nicht nur rasch, sondern auch unfall- und verletzungsfrei von A nach B geht, stehen das Rad-Wissen und die Rad-Beherrschung an oberster Stelle. Dazu wurde im Frühjahr 2004 die Radsicherheitsinitiative der AUVA gestartet und diese ist mittlerweile längst den Kinderschuhen entwachsen. „Der AUVA-Radworkshop ist neben der Freiwilligen Radfahrprüfung die größte und populärste Initiative zum Thema Radfahren im gesamten Volksschulbereich“, erklärt Mag. Joachim Rauch von der AUVA-Hauptstelle und zuständig für das Thema Prävention in Bildungseinrichtungen.
Der ursprüngliche Pilotversuch ist aus dem Jahresprogramm vieler Schulen nicht mehr wegzudenken. Ziel der Präventionsmaßnahme ist es, Kindern das nötige Rüstzeug für eine sichere Radverkehrsteilnahme mitzugeben. „Hier konzentrieren wir uns von Anfang an auf die Bereiche Fahrzeugbeherrschung, Fahrzeugsicherheit und persönliche Schutzausrüstung“, so Rauch. „Ist das Fahrrad betriebssicher?“und „Kann ich mein Rad sicher bewegen?“ sind neben der Selbster-„Fahrung“-für Eltern zentrale Elemente.
Sicherheitsbewusstsein für Groß und Klein
Mehr als 300.000 Volksschulkinder konnten bereits von dem Angebot, das für Schulen kostenlos ist, profitieren. Dass die Aktion gut ankommt, zeigen auch die rund 400 Bewerbungen von Volksschulen, die bei der Programmwebsite www.radworkshop.info jährlich einlangen. Das Programm ist bei Kindern ebenso beliebt wie bei den Erwachsenen – Eltern und Pädagogen:Pädagoginnen. Seit dem offiziellen Startschuss des AUVA-Radworkshops konnte das Angebot der Durchführungstage verdreifacht werden. Das ist unter anderem auch das Verdienst mehrerer Bundesländer, die das Projekt der AUVA seit Jahren im Rahmen ihrer Möglichkeiten kofinanzieren.
Der AUVA-Radworkshop verfolgt dabei ein klares Ziel: Die Förderung von Radfahrkompetenz und Sicherheitsbewusstsein bei Kindern und Erwachsenen gleichermaßen. „Ein gut gewartetes und ausgerüstetes Rad, ein Helm zum Schutz des Kopfes und das praktische Radfahrkönnen stellen die Grundvoraussetzungen für eine sichere Radverkehrsteilnahme dar. Spezielle Übungen im Übungsparcours sowie ein professioneller Rad- und Helm-Check bereiten die Kinder auf die Anforderungen des Alltagsradfahrens vor“, beschreibt Rauch die Schwerpunkte der Workshops.
Erfahrung zählt und macht sicher
Klar ist, dass motorisch kompetente Kinder wesentlich sicherer im Straßenverkehr unterwegs sind. Sie müssen sich weniger auf das Radfahren selbst konzentrieren und können ihre volle Aufmerksamkeit dem Verkehrsgeschehen widmen. „Das Rad-Aktiv-Programm gibt den Schülern:Schülerinnen und gleichermaßen den Eltern die Gelegenheit herauszufinden, wie gut sie ihr eigenes Fahrrad beherrschen und was noch geübt werden sollte. Wir stellen uns die Frage, wie gut und sicher fahren Österreichs Volksschulkinder Rad, denn erst wenn die Beherrschung des eigenen Rades auch in ungewöhnlichen Situationen einigermaßen sicher funktioniert, soll eine Verkehrsteilnahme erfolgen“, weiß der AUVA-Experte. Dass es nicht immer so selbstverständlich ist, zeigt die Entwicklung der letzten Jahre und Jahrzehnte: Die Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen werden immer bewegungsärmer und die motorischen Fähigkeiten von Schulkindern haben deutlich abgenommen. „Der Rückgang der körperlichen Aktivität von Kindern in der Freizeit, im Alltag und in der Schule birgt daher neben gesundheitlichen Problemen auch ein Sicherheitsrisiko, wenn sie sich mit dem Fahrrad im Straßenverkehr bewegen“, folgert Rauch.
Sicherheitsbewusstsein und Alter
Viele entwicklungspsychologische Aspekte spielen für die Sicherheit von Kindern und Jugendlichen im Straßenverkehr eine zentrale Rolle. So wie in der Medizin gilt auch hier der Grundsatz: Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Sie sehen und hören noch nicht so gut wie Erwachsene. Die Folge ist, dass sie oft erst verspätet reagieren und daher oft länger für stabile, verlässliche Entscheidungen im Straßenverkehr brauchen. Das Richtungshören entwickelt sich erst im Laufe der Zeit, ebenso wie das Wahrnehmen von Geschwindigkeit oder Größenverhältnissen. „Kinder können weder stabil einschätzen, wie rasch sich ein Auto nähert, noch dass Autos umso größer erscheinen, je näher sie kommen. Ebenso fällt es ihnen oft schwer, aus ihrer Perspektive die Lenker:innen hinter der Windschutzscheibe zu sehen. Daher nützen auch Handzeichen oder Gesten den jungen Verkehrsteilnehmern:-teilnehmerinnen nicht. Kinder brauchen klare Signale, wie zum Beispiel das Anhalten, um ihnen das sichere Queren der Fahrbahn zu ermöglichen“, so Rauch.
In Österreich dürfen Kinder erst ab einem Mindestalter von zwölf Jahren selbstständig unbegleitet im öffentlichen Verkehr Rad fahren, außer sie haben eine Radfahrprüfung in der vierten Schulstufe absolviert. „Im Vergleich zu Deutschland oder der Schweiz haben wir hier eine höhere Altersgrenze, um die uns Verkehrssicherheitsexperten:-expertinnen anderer Länder beneiden“, betont Rauch, denn: „In der Verkehrswirklichkeit haben wir oft sehr komplexe Anforderungen und Situationen für die jungen Radfahrer:innen.“ Dabei stellt sich dann rasch die Frage, wie gut die Aufmerksamkeit geteilt werden kann und ob die motorischen Fähigkeiten tatsächlich ausreichen, um das Handling des Rades dabei auch im Griff zu haben und „automatisch“ ablaufen zu lassen. Die einschlägige Fachliteratur weist diese Kompetenz und den Reifeprozess für das Teilen von Aufmerksamkeit den Kindern und Jugendlichen frühestens im Alter von 14 Jahren, oft sogar erst mit 16 Jahren zu. „Kinder neigen dazu, dorthin zu fahren, wohin die Blickrichtung geht. Zudem tendieren sie dazu, ein angefangenes Bewegungsmuster wider besseres Wissen zu Ende zu führen“, beschreibt Rauch die Situation, die rasch gefährliche Ausmaße annehmen kann. Eine aktuelle Forschungsarbeit zur Entwicklung von Verkehrskompetenzen im Altersverlauf von elf bis 18 Jahren zeigt, dass auch kognitive und sensorische Einzelfähigkeiten wie Wahrnehmungsgeschwindigkeit oder peripheres Sehen im Alter von 14 Jahren noch nicht voll ausgebildet sind. Und schließlich entwickelt sich ein Bewusstsein für Gefahren auch erst im Laufe der Zeit. (rh)
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