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Damit alles reibungslos verläuft: Knorpelgewebe im Fokus

Auf den ersten Blick ist Gelenksknorpel ein besonders einfaches ­Gewebe. Er besteht aus nur einem Zelltyp, den sogenannten Chondrozyten, eingebettet in eine Kollagenmatrix, frei von Nerven oder Blutgefäßen. Als dünne Schicht am Ende von Knochen sorgt er dafür, dass wir uns reibungslos bewegen können und Stöße abgefedert werden.

Doch gerade diese Einfachheit wird ihm bei Gelenksverletzungen zum Verhängnis. Geht Knorpelgewebe verloren, bleibt eine Läsion zurück, die sich nicht von selbst regenerieren kann, da kaum Zellen zur Stelle sind, um neues Gewebe aufzubauen. Mit der Zeit verschlechtert sich der Zustand zusehends. Unbehandelt führt er zu einer schmerzhaften Gelenksarthrose.

Patienteneigene Zellen helfen

Zur Regeneration von verletzungsbedingten Knorpeldefekten werden im Zuge eines chirurgischen Eingriffs patienteneigene Zellen in den Defekt eingebracht, entweder Stammzellen aus dem darunter liegenden Knochenmark oder durch eine kleine Biopsie entnommene und im Labor vermehrte Chondrozyten. Biomaterialien werden dabei häufig zur Unterstützung der Zellen, ihrer Verteilung und ihrem Schutz eingesetzt. Diese Behandlung führt in den meisten Fällen zu einer wesentlichen Verbesserung der klinischen Symptome der Patienten, jedoch zu keiner vollständigen Wiederherstellung der ursprünglichen Situation. Untersuchungen haben ergeben, dass derzeit in der Klinik eingesetzte Materialien die Zusammensetzung und Architektur von hyalinem Knorpel nur ungenügend widerspiegeln.

Die Forschungsgruppe für Knorpelregeneration des Ludwig Boltzmann Instituts für experimentelle und klinische Traumatologie, Forschungszentrum der AUVA, unter der Leitung von Dr. Sylvia Nürnberger (Universitätsklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie der MedUni Wien) konnte zeigen, dass die natürliche Knorpelmatrix als Biomaterial besser für eine Knorpelregeneration geeignet ist. Denn das auf den ersten Blick sehr einfache Gewebe ist in seiner natürlichen Form doch hochspezialisiert. Die Kollagenfasern sind in einem komplexen Netzwerk perfekt auf ihre Funktion als Stoßdämpfer eingestellt.

Aufbau von Spenderzellen

Patienteneigener Knorpel ist nur sehr begrenzt als Füllmaterial verfügbar. Im Rahmen von Operationen wird jedoch routinemäßig Knorpel entnommen, der als Spenderknorpel verwendet werden kann. Die Spenderzellen, die eine Immunreaktion hervorrufen könnten, werden daraufhin in mehreren Schritten abgebaut und entfernt.

„Dabei verbleibt eine sehr dichte Matrix, in die Patientenzellen jedoch nicht einwandern können. Die Eröffnung der Matrix war die technologische Herausforderung dieser Entwicklung und wurde mit Laserbearbeitung erreicht. Damit konnten wir kontrolliert und standardisiert feinste Einkerbungen setzen, um selbst tiefere Geweberegionen für regenerative Zellen zugängig zu machen“, erklärt Nürnberger. „Das entwickelte Material gleicht in Struktur und Zusammensetzung weitgehend dem Ausgangsknorpel, kann aufgrund dessen als Bestandteil des Regenerationsgewebes dienen und unterstützt damit den Gewebebildungsprozess.“ Diese Eigenschaften unterscheiden das neu entwickelte Material „CartiScaff“ von bisherigen Ansätzen und lassen auf eine schnellere und nachhaltigere Regeneration hoffen. In Besiedelungsversuchen mit Knorpelzellen, Knochenmarkszellen und Stammzellen aus Fettgewebe konnte gezeigt werden, dass CartiScaff die Neubildung von besonders hochwertigem Regenerationsgewebe fördert. Die innovative Erfindung wurde ermöglicht durch Unterstützung der Forschungsförderungsgesellschaft FFG und des Lorenz Böhler Fonds. Die erste Studie erschien vor Kurzem in EBiomedicine, einer von The Lancet veröffentlichten Fachzeitschrift mit frei zugänglichen Artikeln.

In einer Nachfolgestudie wird das Material derzeit auf seine Eignung unter einer kliniknahen Belastungssituation untersucht. Das neue Biomaterial soll künftig mit gängigen chirurgischen Methoden einsetzbar sein und die herkömmlichen Therapien erweitern und verbessern. 

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© LBI-Trauma/MedUni Wien