Kürzlich fand in Wien die Veranstaltung „Diversität, Gleichstellung & Inklusion am Arbeitsplatz“ statt. Die AUVA könne auch in diesem Bereich eine Vorreiterrolle übernehmen, zeigte sich der Generaldirektor-Stellvertreter der AUVA, Mag. (FH) Roland Pichler, überzeugt: „Zu Diversität im Arbeitnehmer:innenschutz hat es davor in Österreich noch keine Veranstaltung in dieser Wertigkeit gegeben.“
Das klassische Bild des Arbeitnehmers als „Mann inländischer Herkunft, der unbefristet beschäftigt ist“, stimme schon lange nicht mehr, betonte Dr.in Anna Ritzberger-Moser, Leiterin der Sektion Arbeitsrecht und Zentral-Arbeitsinspektorat. In der Belegschaft heimischer Unternehmen finden sich heute zunehmend Frauen, Ältere, Personen mit Migrationshintergrund sowie Menschen mit Beeinträchtigungen, die jeweils unterschiedliche Qualifikationen aufweisen und in verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen, darunter Tele- oder Leiharbeit, stehen.
Benachteiligte Gruppen
Damit all diese Personen in Bezug auf Sicherheit und – auch psychische – Gesundheit die gleichen guten Bedingungen am Arbeitsplatz vorfinden, muss der Arbeitsschutz auf sämtliche Gruppen von Beschäftigten abgestimmt sein. So sollte bei Dienstplänen und Besprechungen auf die Betreuungspflichten Alleinerziehender Rücksicht genommen werden. Bei der Unfallprävention sieht Mag.a Julia Steurer vom Zentral-Arbeitsinspektorat bei einer Gruppe besonderen Handlungsbedarf: „Migranten:Migrantinnen der ersten Generation haben ein um den Faktor 1,2 höheres Unfallrisiko.“
Mag.a Sabine Lehr, BSc, ebenfalls vom Zentral-Arbeitsinspektorat, wies darauf hin, dass bestimmte Tätigkeiten bzw. Personen am Arbeitsplatz leicht „übersehen“ und daher auch nicht entsprechend geschätzt werden. Das trifft auf Berufe mit Kunden-:Kundinnenkontakt zu, etwa als Friseur:in oder Empfangsmitarbeiter:in, bei denen man freundliche Gespräche und Auskünfte voraussetzt, aber ebenso auf Personen in der Gebäudereinigung, die an die Tagesrandzeiten gedrängt werden. Auch die Digitalisierung hat „unsichtbare“ Jobs geschaffen, wie etwa in der Plattformarbeit.
Unterschiedliche Belastungen
Priv.Doz.in Dr.in Ute Latza, MPH, Beraterin im Fachbereich „Arbeit und Gesundheit“ der deutschen Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), erklärte, dass Frauen am Arbeitsplatz anderen Belastungen ausgesetzt sind als Männer – sogar, wenn sie im gleichen Beruf tätig sind. So üben Gärtner körperlich schwerere Tätigkeiten aus, etwa Bäume beschneiden, während Gärtnerinnen eher Arbeiten wie Jäten oder Pflanzen übernehmen. Arbeitsbedingungen werden je nach Geschlecht auch unterschiedlich empfunden. Beispielsweise geben Männer häufiger an, bei der Arbeit schwere Lasten zu heben und zu tragen. Frauen müssen das seltener tun, fühlen sich dadurch aber stärker belastet.
Diversitätssensible Maßnahmen
Unternehmen starten laut Univ.-Prof.in DIin DDr.in h.c. Edeltraud Hanappi-Egger vom Institut für Gender und Diversität in Organisationen an der Wirtschaftsuniversität Wien nur dann Diversitätsinitiativen, wenn sie eine positive Kosten-Nutzen-Bilanz erwarten. Auf der Kosten-Seite finden sich etwa Ausgaben für Bildungs- und Trainingsmaßnahmen, Produktivitätsdefizite in der Anfangsphase und Ablenkung von Managementaufgaben. Dem gegenüber steht der Nutzen in Form von längerfristiger Produktivitätssteigerung durch höhere Motivation sowie die Verbesserung der Reputation und der Zufriedenheit der Kunden:Kundinnen.
Wie ein diversitätssensibles Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) aussehen sollte, beschrieb Fiona Niebuhr, MSc, von der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Alle Beschäftigten müssen Zugang zu gesundheitsrelevanten Informationen erhalten, die der:die Arbeitgeber:in barrierefrei zur Verfügung zu stellen hat, also auch in den Muttersprachen der Mitarbeiter:innen bzw. in einfacher Sprache. Durch Multiplikatoren:Multiplikatorinnen aus der Belegschaft werden Betroffene zu Beteiligten, die der Unternehmensführung ihre Bedürfnisse mitteilen können.
Beispiel aus der Praxis
Wie Gleichstellung und Inklusion in einer diversen Arbeitswelt tatsächlich funktionieren können, zeigen mehrere Beispiele aus der Praxis. Im Facility-Management-Unternehmen Simacek Holding GmbH liegt der Schwerpunkt auf Tagesreinigung und Mehrsprachigkeit. An der Medizinischen Universität Graz setzt man auf Einbeziehung der Betroffenen und gesetzliche Vorgaben zur Gleichbehandlung. Die Inclusion24 GmbH, deren Mitarbeiter:innen selbst Beeinträchtigungen aufweisen, berät zum Thema Inklusion.
In der innerbetrieblichen Frauenförderung engagierte Unternehmen können für das kostenlose Gütesiegel „equalitA“ des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft einreichen. Unternehmen, die im Bereich Diversität aktiv sind oder es werden wollen, erhalten auch von der AUVA Unterstützung. „Wir arbeiten am Aufbau eines Netzwerks und ersuchen um Anregungen und Wünsche zur Zusammenarbeit“, so die fachliche Leiterin der Tagung, Dr.in Isabel Kaufmann von der Abteilung für Unfallverhütung und Berufskrankheitenbekämpfung der AUVA. (rp)
Diversität – eine Begriffsbestimmung
Diversität bezeichnet die Vielfalt der Mitglieder einer Gruppe. Diese können sich in Bezug auf Merkmale wie Geschlecht, Gender, sexuelle Orientierung, Alter, ethnische Zugehörigkeit oder sozialer Status unterscheiden.
Der Begriff Geschlecht bezieht sich auf das biologische Geschlecht, während unter Gender das soziale Geschlecht, dem sich ein Mensch zugehörig fühlt, verstanden wird.
Bei der sexuellen Orientierung unterscheidet man, ob jemand Personen des anderen (biologischen) Geschlechts, des eigenen oder beider Geschlechter sexuell attraktiv findet.
Integration bedeutet, dass man Menschen, die als „anders“ empfunden werden – wobei vor allem körperliche oder geistige Behinderungen gemeint sind – in bestehende Strukturen einbezieht.
Im Konzept der Inklusion gelten Unterschiede hinsichtlich verschiedener Merkmale als normal. Strukturen sollen geschaffen werden, die allen Mitgliedern der Gruppe eine Teilhabe ermöglichen.