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Forschung: Knochen­forschung auf höchstem ­Niveau

Was gibt es denn an hartem, unbelebtem Material wie Knochen schon zu forschen? Mit diesem ­gängigen Vorurteil räumt die neue Leiterin der ­Knochenregenerationsforschung am Ludwig Boltzmann Institut für Traumatologie rasch auf, wenn sie enthusiastisch von ihrer Arbeit erzählt.

Das Ludwig-Boltzmann-Institut für Traumatologie (LBI), das Forschungszentrum in Kooperation mit der AUVA, hat eine neue Leiterin der Knochenregenerationsforschung: Regina Brunauer, PhD, MS, BS ist Expertin auf dem Gebiet der Knochenheilung im Alter. Zuvor Professorin in Texas, stammt sie ursprünglich aus dem Salzburger Land. Wie sie die wissenschaftliche Heimkehr nach Österreich erlebt und was sie an ihrer Arbeit schätzt, erzählt sie im Interview mit der LBI-Wissenschaftskommunikatorin Dr. Conny Schneider.

Ihre zwei großen wissenschaftlichen Steckenpferde sind Knochen und Alterung. Wie verhalten sich unsere Knochen im Alter?
Um sich das vorstellen zu können, muss ich erstmal mit einem Vorurteil über Knochen aufräumen. Wir stellen uns Knochen oft als hartes, unbelebtes Gewebe vor, weil wir meist nur Modelle aus dem Bio-Unterricht oder tote Knochen aus dem Museum kennen. Lebender Knochen ist ein so dynamisches Gewebe. Es ist ein andauerndes Zusammenspiel zwischen knochenbildenden und knochenfressenden Zellen, ein ständiger Umbau, der sich beispielsweise auch mechanischen Anforderungen anpasst.
Die höchste Knochendichte erreichen wir mit etwa 25 Jahren, danach nimmt sie sukzessive ab. Es wird mehr Knochen ab- als aufgebaut. Bei Verletzungen gibt es mehr Komplikationen, Brüche heilen langsamer. Bei besonders niedriger Knochenmasse, etwa bei Osteoporose, können selbst Stürze aus dem Stand heraus in einem Knochenbruch enden. Ziel unserer Forschung ist es natürlich, Patienten:Patientinnen jeden Alters zu besserer Knochenheilung zu verhelfen.

Was können wir von Tieren über die Regeneration lernen?
Sehr viel! Es macht einen Riesenunterschied, ob wir Phänomene im Labor untersuchen oder in einem echten Körper. Ich habe lange mit Stammzellen gearbeitet und es ist total cool, aber auch sehr künstlich. Wir müssen ganze Körper betrachten, nicht nur ihre kleinsten Teile. Ursprünglich wollten wir mit Axolotln arbeiten. Diese besondere Salamanderart ist bekannt dafür, dass sie ganze Gliedmaßen nachwachsen lassen kann. Wir haben überlegt, wie das Altern so eine Regeneration beeinflussen kann. Doch dann habe ich mich auf einer Konferenz mit einem Kollegen unterhalten und der meinte: „Schau dir doch mal die Maus an, sowas gibt’s auch dort!“ Und tatsächlich, eine Maus kann zwar nicht ein ganzes Bein nachwachsen lassen, sehr wohl aber ihr äußerstes Fingerglied regenerieren. Und das ist natürlich viel spannender, weil Mäuse als Säugetiere uns Menschen viel ähnlicher sind.

Warum funktioniert das bei Mäusen und was unterscheidet sie von uns?
Ich würde mich hier gar nicht so viel auf die Unterschiede stürzen. Wenn nicht zu viel von der Fingerspitze verloren geht, kann sie sich auch beim Menschen wieder regenerieren. Das Weichgewebe wächst nach, der Nagel legt sich drüber und man erkennt kaum einen Unterschied zu vorher. Bei Mäusen können aber auch Fingerspitzen nachwachsen, wenn 50 Prozent vom ersten Glied verloren gegangen sind. Sie verfügen über beachtliche Regenerationsfähigkeiten, auch im Alter. Dauert es bei jungen Mäusen etwa einen Monat, bis die Fingerspitze wiederhergestellt ist, sind es bei älteren Exemplaren ein bis zwei Wochen länger. Selbst der Fingerknochen wächst nach, dem kann man im Computertomografen förmlich beim Wachsen zusehen.

Das Nachwachsen von Knochen konnte bei Menschen zwar noch nicht systematisch studiert werden, es gibt aber beachtliche Fallstudien. Eine Ärztin aus Sheffield in England hat schon in den 1970er-Jahren Fälle von spontaner Regeneration in jungen Kindern beschrieben. Ein Zufallsfund, denn normalerweise wird die Wunde chirurgisch verschlossen, aber aufgrund eines Fehlers wurde die Wunde bei einem Kind einmal nur gereinigt, bevor es wieder nach Hause geschickt wurde. Bei der Kontrolle einige Tage später im Krankenhaus hatte die Regeneration bereits begonnen. Elf Wochen später war das Fingerglied nachgewachsen.

Was hat Sie damals von Österreichin die USA geführt?
Eigentlich hat es mir ja immer gut gefallen daheim. Aber durch die vielen Reisen im Laufe meiner Doktorarbeit wurde für mich klar, dass ich ins Ausland gehen möchte, um meinen Horizont zu erweitern. Dass es die USA wurden, war Zufall. Ich bin einfach der Altersforschung gefolgt.

Die USA waren uns damals in diesem Feld etwas voraus. Das IBA in Innsbruck war das erste altersspezifische Institut in Mitteleuropa, und das kannte ich schon aus meiner Doktorarbeit. Allerdings habe ich schnell festgestellt, dass sie in den USA auch nur mit Wasser kochen. Mein Labor dort sah auch nicht viel anders aus als das in Innsbruck. Was anders ist, ist die Arbeitskultur. Es wird erwartet, dass man immer verfügbar ist und so viel wie möglich im Labor, auch am Wochenende. Das nimmt einem die Freude an der Arbeit.

Und nun sind Sie wieder zurück. Was ist in Österreich anders als in den USA?
Wenn ich eine Mail am Montagmorgen beantworte, ist das in Österreich völlig in Ordnung. Das ist sehr beruhigend. Als Wissenschaftlerin wird man ja nicht reich, aber die Freiheit, Ideen nachzugehen, und die Freude an der Arbeit, die sind das große Plus. Aus eigener Motivation heraus arbeite ich gerne auch mal am Wochenende. Und mir gefällt ganz besonders, dass es hier am LBI Trauma eine gemeinsame Mission gibt, einen Strang, an dem wir alle ziehen. Das macht sich auch in der Atmosphäre bemerkbar. Keiner:keine hier am Institut will der Superstar sein. Es geht nicht darum, wer etwas als Erste:r publiziert, sondern wie wir gemeinsam die Forschung für Unfallpatienten:-patientinnen voranbringen können. In so einem Umfeld arbeitet man gerne. (cs)

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Histofärbung – regenerierende Maus-Zehenspitze. Der Nagel (orange) ist nach 10 – 14 Tagen schon vollständig nachgewachsen, die Hautwunde ist verschlossen (rot / rosa) und der nachwachsende Knochen ist als fasrige blaue Struktur zu erkennen.
© LBI