Chrissie Baltzaki, MSc ist Mitglied der Gruppe für Weichgewebsregeneration von Dr. Paul Slezak am Ludwig Boltzmann Institut für Traumatologie (LBI Trauma), dem Forschungszentrum in Kooperation mit der AUVA. Im Interview spricht die junge Wissenschaftlerin aus Griechenland über ihre Forschung an besonderen Biomaterialien, die dazu da sind, auseinanderzuhalten, was nicht zusammengehört.
In der Unfallchirurgie geht es oft darum, Getrenntes wieder zu vereinen. In welchen Situationen ist das aber unerwünscht?
Wir beschäftigen uns konkret mit postoperativen Adhäsionen, auch „Verwachsungen“ genannt. Durch Verletzungen oder chirurgische Schnitte entstehen Heilungsflächen, die mitunter auf unerwünschte Weise wieder zusammenwachsen. Das ist vor allem in der Bauchhöhle ein Problem, weil dort viele verschiedene Gewebe in Kontakt miteinander sind und sich doch frei bewegen sollen.
Was passiert, wenn Gewebe im Bauch miteinander verwächst?
Das hängt ganz davon ab, welche Gewebe beteiligt sind. Wenn Darm oder Bauchdecke verwachsen, sind Verdauungsbeschwerden bis hin zum Darmverschluss die Folge. Verwachsen Eierstöcke oder Gebärmutter mit der Bauchdecke, kann dies zu Unfruchtbarkeit und Schmerzen im Unterbauch führen. Überhaupt sind Schmerzen ein Symptom, das bei Verwachsungen häufig auftritt.
Wie werden diese Verwachsungen behandelt?
Haben sie sich erst mal gebildet, müssen sie durch eine weitere Operation getrennt werden. Allerdings ist das Risiko groß, dass die beiden Gewebe wieder miteinander verwachsen. Es braucht daher so etwas wie Abstandshalter, an denen wir arbeiten. In unserer multidisziplinären Gruppe aus Ärzten:Ärztinnen, Chemikern:Chemikerinnen und Biologen:Biologinnen entwickeln wir Materialien, um diesen Verwachsungen vorzubeugen. Besonders wichtig ist dabei, dass sie auch laparoskopisch, das heißt im Zuge einer Bauchspiegelung, anwendbar sind. Das Material muss gut bioverträglich sein und genau für die richtige Zeitspanne im Körper bleiben. In sieben bis 14 Tagen baut der Körper das Material selbstständig ab, das ist gerade lange genug, um Verwachsungen zu vermeiden.
Gerade der Bauch ist ja ständig in Bewegung. Wie bleibt das Material an Ort und Stelle?
Das Biomaterial klebt von selbst und so kann nichts verrutschen. Die Paste bedeckt den gesamten Wundbereich und verhindert, dass er an falscher Stelle anwachsen kann. Dafür muss das Material bioverträglich und zellabweisend sein. Auch die Abbauprodukte dürfen den Körper nicht irritieren.
Wie ist es dazu gekommen, dass Sie heute in Wien forschen?
Ich war gerade mit meinem Master-Studium an der Universität Kreta fertig und wusste, ich will in Europa bleiben und in der Geweberegeneration arbeiten. Ich habe eine Liste von Personen und Institutionen aufgeschrieben, für die ich gerne arbeiten möchte. Univ.-Prof. Dr. Heinz Redl, der ehemalige Leiter des LBI Trauma, war ganz oben auf dieser Liste. Eine Professorin hat geholfen, ihm eine Zusammenarbeit im Erasmus*-Programm vorzuschlagen, und es hat geklappt!
Gehen wir noch einen Schritt zurück: Was hat Sie überhaupt dazu bewegt, Forscherin zu werden?
Ich wusste schon mit fünf, dass ich Wissenschaftlerin werden wollte. Mein Großvater ist Physiker, er hatte sein eigenes Labor, hat auch Chemie und Biologie unterrichtet. Er hat mich schon als kleines Kind mit ins Labor genommen und mir Experimente gezeigt. Als ich dann älter wurde, war ich fasziniert von Biomaterialien, der Geweberegeneration und von dem Konzept, Materialien zu kreieren, die in den Körper implantiert werden können und dann Teil des Körpers werden. Jetzt habe ich es endlich geschafft, diesen Pfad zu verfolgen. Ich möchte mit meiner Forschung Menschen helfen.
Wie sieht ein Tag im Leben einer Erasmus-Forscherin am LBI Trauma aus?
Durch unsere Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Wien darf ich deren Labore mitnutzen. Dort ist es meist ruhiger als am Hauptquartier im Traumazentrum. Das Chemielabor ist sehr gut ausgestattet und wir haben dort viel Platz. Im Zellkulturlabor des LBI Trauma teste ich, ob Zellen in unser Material einwachsen. Schon jetzt kann ich verraten: Das tun sie nicht, und das ist gut so! (cs)
* Erasmus ist ein EU-Förderprogramm für Auslandsaufenthalte an Universitäten.