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Gesunder Schlaf: Wach­gerüttelt

Kaum etwas ist so selbstverständlich wie der Schlaf und gleichzeitig ranken sich viele Mythen und Geschichten um das Thema. Schlechter Schlaf wird häufig als selbstverständlich hingenommen und den gesundheitlichen Folgen zu wenig Bedeutung beigemessen.

Kurzfristig führt schlechter Schlaf zum persönlichen Unwohlsein, längerfristig können Krankheiten entstehen und auch gesellschaftliche Auswirkungen nach sich ziehen: Mehr Unfälle im Straßenverkehr oder beim Bedienen von Maschinen sowie mehr Krankenstände belasten auch die Volkswirtschaft.

Sich gesundschlafen

„Umfragen zeigen, dass mehr als 80 Prozent der Berufstätigen in Europa unter schlechtem Schlaf leiden“, sagt der Schlafexperte Univ.-Prof. Dr. Manuel Schabus vom ­Labor für Schlaf-, Kognitions- & Bewusstseinsforschung am Zentrum für Kognitive Neurowissenschaften Salzburg (CCNS) der Universität Salzburg (sleepscience.at). Die Pandemie hat diesen Trend weiter verschärft, denn Angst, Unsicherheit oder Krankheit sind keine guten Voraussetzungen für einen gesunden Schlaf. Dennoch ist die Bedeutung von gutem, erholsamem Schlaf nach wie vor in der öffentlichen Wahrnehmung nicht ausreichend präsent. Denn: Schlaf geschieht in einem sehr intimen Umfeld, daher sprechen wir auch nicht gerne darüber, wenn es uns damit nicht gut geht. Sind psychische Belastungen der Grund – auch wenn sie nur vorübergehend sind –, kann das ganz schnell dazu führen, dass wir uns schämen oder meinen, alleine mit der Problematik fertigwerden zu müssen.

Redewendungen wie „über etwas schlafen“ oder „sich gesundschlafen“ geben schon einen Hinweis darauf, dass der Schlaf für unsere Gesundheit bedeutsam ist. Wissenschaftler:innen sind sich einig, dass eine erholsame Nachtruhe eine wichtige Voraussetzung für unser seelisches und körperliches Wohlbefinden ist. Immerhin verbringt der Mensch im Schnitt etwa ein Drittel des Lebens im Schlaf – Grund genug, sich dem Schlaf auch aus wissenschaftlicher Sicht zu nähern. „Unser Körper läuft ständig auf Hochtouren und benötigt daher auch immer wieder Zeit, sich auszuruhen. Das passiert im Schlaf und zeigt, das Schlafen längst kein inaktiver Prozess ist. Viele Funktionen werden gestärkt, während wir schlafen, wie etwa das Immunsystem oder das Gedächtnis. Unsere Aufmerksamkeit bei der Arbeit oder in der Freizeit ist davon abhängig, wie gut wir ausgeschlafen sind. Der Abtransport von Abfallstoffen im Zentralnervensystem geschieht auch bevorzugt im Schlaf. Kurz gesagt: Wer längere Zeit nicht ausreichend Schlaf bekommt, wird erste Krankheitsanzeichen erkennen. Das kann allgemeines Unwohlsein, Kopfschmerzen oder Gereiztheit sein, langfristig entstehen auch psychische Erkrankungen und am Ende eine ­kürzere Lebenszeit“, so Schabus.

Lange Zeit wurde der Schlaf als inaktiver Zustand betrachtet. Erst mit der Erfindung der Elektroenzephalografie (EEG) und damit der Möglichkeit, Aktivitäten des Gehirns zu messen, wurde der Schlaf als dynamischer Prozess der Hirnfunktionen dargestellt. Im Schlaf werden die Vitalfunktionen wie Atmung und Herztätigkeit langsamer und der Körper benötigt weniger Energie. Gedächtnisinhalte werden gespeichert, Muskeln aufgebaut, Hormone reguliert und das Immunsystem gestärkt.

Ab wann spricht man von Schlafstörungen?

Subjektiv empfinden wir „gut geschlafen“ dann, wenn wir rasch einschlafen, selten wach werden und uns am Morgen ausgeruht fühlen. Wer gelegentlich oder über einen absehbaren Zeitraum unruhige Nächte hat, muss aber nicht gleich an Schlafstörungen leiden. Besondere Lebensphasen, Urlaubsreisen, Zeitumstellung, Lärm oder Hitze können dazu führen, dass wir vorübergehend wenig erholsamen Schlaf bekommen. „Erst wenn für drei Monate mindestens drei Mal pro Woche der Nachtschlaf gestört ist und auch tagsüber eine Beeinträchtigung zu spüren ist, sprechen Experten:Expertinnen von Schlafstörungen. Dann sollte man auf jeden Fall die Ursachen hinterfragen“, sagt ­Schabus. Er rät dringend dazu, ausgewiesene Schlafexperten:-expertinnen aufzusuchen, denn nur sie sind auf die umfassende Diagnose und Behandlung spezialisiert. Eine Liste findet sich auf der Website der Österreichischen Gesellschaft für Schlafmedizin und Schlafforschung (ÖGSM, ­schlafmedizin.at). Schabus warnt auch davor, Schlafstörungen im ersten Schritt gleich mit Schlafmedikamenten zu behandeln, denn sie beseitigen nicht die Ursache, können zu Abhängigkeiten führen und die Problematik verschlimmern.

Einfache Veränderungen, die helfen können

Eine Schlüsselrolle für guten Schlaf spielt der individuelle Lebensstil und damit verknüpft unsere Schlafgewohnheiten. Die Schlafzeiten von Erwachsenen verschieben sich oft in Richtung Mitternacht. Das führt dazu, dass wir zu wenig schlafen, denn frühmorgens läutet bereits der Wecker, meist früher als wir wollen und es bräuchten. Die Signale der inneren Uhr, früher zu Bett zu gehen, werden dabei oft überhört, sodass wir im Schlaf nicht die erforderliche körperliche und psychische Regeneration erhalten.
„Licht, Lärm und Wärme sind die Klassiker für schlechte Schafumgebung“, sagt Schabus. Manches davon lässt sich einfach ändern, anderes wiederum – etwa Arbeitszeiten und damit das Aufstehen nach der Ansage des Weckers – kann nicht so einfach verändert werden. Darüber hinaus spielen weitere Faktoren eine Rolle: spätes Essen, zu viel Alkohol- und Tabakkonsum, wenig Tageslicht und keinerlei körperliche Aktivität, Schichtarbeit oder psychische Belastungen. Wer ständig sein Telefon und den Laptop mit ins Bett nimmt, wird feststellen, dass das Einschlafen zunehmend schwieriger wird. Der Grund ist einfach: Jener Teil des vegetativen Nervensystems – der Sympathikus –, der für Stress und Konzentrationsphasen verantwortlich ist, kann nicht abgeschaltet werden. Zudem haben die Bildschirme von Smartphones, Tablet oder Laptop oft einen hohen Blaulichtanteil. Der sorgt dafür, dass das Hormon Melatonin, das wir dringend benötigen, um müde zu werden, nicht ausgeschüttet werden kann. „Melatonin extra zu sich zu nehmen ist aber nur dann angesagt, wenn man tatsächlich eine Unterversorgung hat. Ein Umstand, den wir bei den meisten Menschen unter 55 Jahren kaum vorfinden“, weiß der Experte. Das beste Rezept ist nach wie vor, an den Schlafgewohnheiten zu arbeiten: Entschleunigung, Psychohygiene und das passende Schlafumfeld stehen hier weit oben auf der Liste. „Daher ist der Goldstandard in der Schlafmedizin auch eine Verhaltenstherapie, also ein Programm über sechs bis acht Wochen, in dem man lernt, den Schlafplatz und seine Gewohnheiten zu optimieren sowie Entspannung einzuüben und  Gedanken umzustrukturieren“, fasst Schabus zusammen und ergänzt: „Das braucht jedenfalls Geduld.“ Denn: Gewohnheiten zu verändern klappt nicht in wenigen Tagen. 

„Schlafapps gibt es viele, doch die App Nukkuaa bietet beispielsweise eine hochpräzise Schlafanalyse, fast so genau wie in einem klinischen Schlaflabor kombiniert mit wirksamem Schlaftraining. Damit gelingt es, den Schlaf zu analysieren, zu verbessern und Schlafprobleme wirksam zu lösen. Die App wurde von Schlafexperten der Universität Salzburg entwickelt, die wissenschaftliche Basis ist ein elementarer Bestandteil der App, die laufend weiterentwickelt wird“, so Schabus. Wer regelmäßig weniger als sieben Stunden schläft, kann nach Angaben des Experten bis zu fünf Lebensjahre einbüßen. Die schlechte Nachricht: Fehlenden Schlaf nachholen, etwa im Urlaub oder am Wochenende, geht leider nicht: „Etwa ein Drittel kann man schon nachschlafen, aber der Rest ist einfach verloren“, so Schabus. (rh)

Wussten Sie, dass …

  • die Arbeitsproduktivität bei Menschen, die über einen längeren Zeitraum schlecht schlafen, um 10 bis 13 % sinkt?
  • sich bei chronischem Schlafmangel das Risiko für Schlaganfälle verdreifacht und für psychische Erkrankungen wie Angst oder Depression verdoppelt?
  • Menschen mit Schlafproblemen im Schnitt rund fünf Tage mehr ­krankheitsbedinge Ausfälle pro Jahr verursachen als ausgeschlafene Mitarbeiter:innen?
  • unausgeschlafene Mitarbeiter:innen reizbarer, weniger stressresilient und weniger teamfähig sind?
  • rund 25 % aller Unfälle im deutschen Straßenverkehr auf Sekundenschlaf zurückzuführen sind?
  • schon 24 Stunden Schlafentzug zu einer Leistungsminderung führen können, die vergleichbar mit 0,5 Promille Alkohol im Blut ist?
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© skynesher/iStock