Im Kindergarten ist naturgemäß alles kindgerecht gestaltet, daher fehlen am „Arbeitsplatz Kindergarten“ oft erwachsenengerechtes Mobiliar und Hilfsmittel. Ein Umstand, der bei den Pädagogen:Pädagoginnen zu Beschwerden des Bewegungs- und Stützapparats führen kann. Auch psychische Belastung, wie zum Beispiel Stress, trägt zur Entstehung von Muskel-Skelett-Erkrankungen (MSE) bei.
Beim AUVA-Workshop „Ergonomisches Arbeiten und Unfallprävention im Kindergarten“ zeigen Mag. Teresa Kerschenbauer, MA, und Anne Mück, MSc, von der AUVA-Landesstelle Wien, welche Maßnahmen dabei helfen, das Risiko für MSE zu reduzieren. Kerschenbauer, die selbst viele Jahre als Elementarpädagogin gearbeitet hat, kennt die Tätigkeit im Kindergarten aus eigener Erfahrung: „Typische Belastungen sind eine ungünstige Arbeitshöhe, fehlende ergonomische Sitzgelegenheiten für Erwachsene, permanentes Heben und Tragen von Kindern oder Mobiliar, oft über weite Strecken.“
Die gute Nachricht: Nicht nur der Einsatz von Hilfsmitteln, sondern auch ergänzende personenbezogene Maßnahmen wie richtige Hebetechniken können die körperlichen Belastungen reduzieren. Daher erklärt Ergonomin Mück im Workshop unter anderem den Aufbau der Wirbelsäule und die dämpfende Funktion der Bandscheiben: „Bei einer aufrechten Körperhaltung mit geradem Rücken werden die Bandscheiben gleichmäßig belastet. Beugt man sich vor, befindet sich die Wirbelsäule nicht nur in einer physiologisch ungünstigen Stellung, es wirken auch sehr große innere Kräfte auf die Bandscheiben. Diese Belastungen können längerfristig zu Beschwerden führen.“
Erwachsenengerechte Möbel
Mitarbeitende in Kindergärten benutzen oft die an die Bedürfnisse der Kinder angepassten Möbel, was Zwangshaltungen begünstigt. So führt seitliches Sitzen auf einem Kindersessel zu einer Verdrehung und Seitneigung des Oberkörpers. Abhilfe schaffen können erwachsenengerechte Möbel, wie etwa höhenverstellbare Sessel und Hocker oder spezielle Sessel für Pädagoginnen:Pädagogen. Diese sind zur Unterstützung der Lendenwirbelsäule mit einer Rückenlehne ausgestattet, die sich nach vorn drehen lässt, damit man sich mit den Armen oder dem Brustkorb abstützen kann. Bei Hockern sind Modelle mit flexiblem Standbein zu empfehlen, bei denen sich durch Gewichtsverlagerung die Reichweite vergrößern lässt. Das ist nicht nur praktisch, sondern ermöglicht auch dynamisches Sitzen, wodurch die Bandscheiben nicht immer der gleichen Belastung ausgesetzt sind.
Viele (Spiel-)Aktivitäten der Kinder finden auf dem Boden statt. Somit verbringt das Kindergartenpersonal einen Großteil der Arbeitszeit bodennah, sitzend, kniend oder hockend. Insbesondere im Langsitz krümmt sich die Lendenwirbelsäule von Erwachsenen, was eine Kompression der Bandscheiben verursacht. Eine aufrechtere Haltung ermöglicht der Schneidersitz, der aber auf Dauer als anstrengend empfunden wird. Der Kniesitz wiederum belastet die Kniegelenke.
„Wird das Gesäß beim Sitzen angehoben, kann der Rücken aufrechter gehalten werden. Daher empfehlen wir, einen Yogablock, ein Ballkissen oder – wenn diese Sitzhilfen nicht vorhanden sind – einfach einen Polster oder eine zusammengerollte Decke zu verwenden“, so Mück. Nach dem Motto „die beste Körperhaltung ist die nächste“ sollten Arbeitshaltungen oft gewechselt werden.
Heben und Tragen
Das Kindergartenpersonal hebt und trägt seine Schützlinge unzählige Male am Tag, z. B. wenn ein Kind gewickelt oder getröstet werden muss. Dass die Wirbelsäule dabei ähnlichen Belastungen ausgesetzt ist wie die von Beschäftigten am Bau oder in der Paketzustellung, erkennen laut Mück die wenigsten: „Kinder werden nicht als ‚Last‘ wahrgenommen.“ Es ist daher umso wichtiger, ein Bewusstsein für die richtige Hebetechnik zu schaffen – also in die Knie gehen und möglichst körpernahe heben, anstatt sich zu bücken.
Nicht nur die Kinder, auch Möbelstücke und andere Gegenstände werden häufig gehoben und getragen. In Kindergärten, in denen wenig Platz zur Verfügung steht, müssen sogar Tische her- und wieder weggeräumt werden. Feststellbare Rollen, zumindest an zwei Tischbeinen, erleichtern diese Arbeit. Hier gilt die Regel „rollen statt tragen“. Anstelle weniger großer Aufbewahrungsboxen für Spielzeug sind mehrere kleinere zu bevorzugen, die sich leichter transportieren lassen. Ist es nicht vermeidbar, eine schwerere Last zu tragen, sollte man das zu zweit durchführen.
Hilfsmittel
Zu den Tätigkeiten, bei denen sich das Kindergartenpersonal oft vorbeugt und so die Wirbelsäule belastet, zählt das Wickeln – eine Körperhaltung mit relativ langer Verweildauer, die im Alltag häufig eingenommen werden muss. Ideal ist ein Wickeltisch mit einer ausziehbaren Aufstiegshilfe, über die die Kinder – natürlich unter Aufsicht – selbstständig hinaufklettern können. Ist der Wickeltisch zu niedrig, erleichtert ein breitbeiniger Stand, den Rücken aufrecht zu halten. Im Küchenbereich lässt sich die Arbeitshöhe mit einer Schneidbretterhöhung an die eigene Körpergröße anpassen. In der Garderobe schont es den Rücken, wenn Kinder zum Anziehen auf ein kleines Podest steigen.
Damit die Pädagogen:Pädagoginnen die vorhandenen Hilfsmittel tatsächlich verwenden, sollten diese griffbereit aufbewahrt werden. In der Praxis erweist sich oft Platzmangel als Problem; etwa wenn die Garderobe für Anziehpodeste oder Hocker für das Kindergartenpersonal zu wenig geräumig ist. Zudem muss man dafür sorgen, zum Beispiel Aufstiegshilfen so zu verstauen, dass Kinder nicht unbeaufsichtigt hinaufklettern können. Werden neue Hilfsmittel angeschafft, hat der:die Arbeitgeber:in für eine Unterweisung zu sorgen. (rp)
Workshop
Der kostenfreie Workshop „Ergonomisches Arbeiten und Unfallprävention im Kindergarten“ ist für Kindergärten in Wien, Niederösterreich und im Burgenland buchbar. Anfragen an wuv-kindergarten@auva.at